Aussichtslose Wanderung im Aletschgebiet

 

Ein einziger schöner Tag pro Woche ist im Herbst 2012 die Regel. Wie schon beim Appenzeller-Ausflug wird in der Wettertombola erneut eine Niete gezogen. 

36 Heitenrieder Wanderinnen und Wanderer haben eine Gemeinde-Tageskarte der SBB im Sack und erwarten gespannt das Wetter nach der Durchquerung des Lötschberg-Basistunnels. Einige fahren gar zum ersten Mal durch die 34,6 Kilometer lange Oströhre des am 16. Juni 2007 in Betrieb genommenen Eisenbahntunnels. 

Ein Lächeln huscht über die Gesichter beim Blick ins Saas- und Mattertal mit leichten Aufhellungen. Bei der Fahrt ins Goms ist die Ernüchterung aber wieder da. Das Tal ist zwar nebelfrei aber in der Höhe lässt sich kein Sonnenschein erwarten. Betten-Talstation, umsteigen in die Grosskabinenbahn. Das GA SBB und die Tageskarten  sind neuerdings gültig bis auf die Bettmer- oder die Riederalp hinauf, dies auch an sonnigen Tagen! Die Luftseilbahn überwindet die 1101 m Höhendifferenz in knapp 7 Minuten. Bei der Bergstation ist alles in Watte gehüllt, die Sichtweite beträgt knapp 50 Meter. Im nahen Restaurant genehmigt sich die Gruppe erst einmal einen Kaffee. Eine Aufhellung sei nicht zu erwarten meinen selbst die Einheimischen. So geht’s in der Nebelsuppe westwärts auf der geteerten Strasse Richtung Riederalp. Andere Wanderer begegnen uns mit griesgrämigen Mienen. Wie hoch denn die Nebeldecke sei? „Knapp unterhalb des Jungfraujochs“, antworte ich jeweils scherzhaft! Wir passieren die Talstation der Gondelbahn von der Golmenegg auf die Moosfluh. Die Wanderung von dort oben zur Riederfurka war als Höhepunkt des Tages gedacht. Weiter zur Riederalp. Niemand hat mehr Lust hier oben weiterzuwandern, die Lage ist im wahrsten Sinne des Wortes aussichtslos.

Die Gruppe splittet sich auf. Eine Hälfte wandert zurück auf die Bettmeralp und benützt die nächste Grosskabine für die Talfahrt. Von Betten-Talstation fährt sie mit der Matterhorn Gotthard Bahn (MGB) nach Brig zurück. Währenddem einige direkt auf die Alpennordseite zurückfahren, besuchen andere den St. Gallus-Markt in Brig (er heisst wirklich so).

Die andere Hälfte fährt von der Riederalp hinunter nach Mörel, das unter der Nebeldecke liegt. In den Räumen der Talstationen wird gepicknickt, das eigentlich in luftiger Höhe vorgesehen gewesen war. Danach geht’s in einstündiger Wanderung dem Rotten entlang nach Bitsch, bevor der Regen einsetzt. Mit der MGB wird die Reststrecke nach Brig zurückgelegt.

Wiederum Beratung. Einige verabschieden sich nach Hause. Immerhin verbleiben nach dem Kaffee noch 18 Personen und schlendern durch den Markt mit dem emsigen Treiben und den verschiedenen Düften. Dieser St. Gallusmarkt findet in Brig traditionsgemäss am zweiten Mittwoch im Oktober statt. Nun tritt sogar die Sonne auf den Plan. Per Handy meldet der Wanderleiter die Restgruppe für die letzte Führung im Stockalperpalast an, die sich wirklich lohnt. Die Führerin erklärt in kernigstem Wallisertiitsch auf lebendige Weise die Geschichte des Schlosses. Das Stockalperschloss, auch Stockalperpalast genannt, wurde zwischen 1651 und 1671 in Brig von Kaspar Jodok von Stockalper erbaut.

                                                                  Stockalperpalast

Dieses Schlitzohr Kaspar von Stockalper war der Fugger der Alpen und genialste Frühkapitalist weit und breit. Er kaufte und verkaufte alles, was nur irgendwie Profit versprach, vor allem handelte er mit Salz, Söldnern und Simplon-Durchgangsrechten. Der Stockalperpalast in Brig zeugt von seinem Reichtum. Es ist der grösste private, barocke Bau des 17. Jahrhunderts in der Schweiz und zeichnet sich durch ein vierstöckiges Hauptgebäude, drei Türme und einen dreistöckigen Arkadenhof aus. Die quadratischen, aus Granitblöcken errichteten Türme mit vergoldeten Zwiebelhauben werden Kaspar, Melchior und Balthasar benannt, was als eine Anspielung auf die Heiligen Drei Könige zu verstehen ist. 1948 kam das Schloss in den Besitz der Stadt Brig und beherbergt seit 1960 das Rathaus. 

Damit findet der Tag im Wallis doch noch ein befriedigendes Ende. Nur im Wallis? Nach der Durchquerung der NEAT-Röhre regnet es im Frutigland in Strömen. Der Wanderleiter überlegt sich die Taktik zu ändern: Mit seinem Begleiter an einem Regentag zu rekognoszieren und dafür bei Sonnenschein auf die Wanderung zu gehen! 

Beat Schmutz

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